Ein Lenzspaziergang im Januar.
Aus den Sonnabend Stammtischgesprächen des Rentiers und Maurerpolier a. D. Franz Poguttke aus Danzig .(Erschien am 30. l. 1932 in Danziger Neuste Nachrichten.)

     Was meinen Se, meine Härren ? Ich, red' so heiser'? Kunststick! Das kemmt auch von die Friehlingswoch und den Länzsonnenschein im Januar und so. Eiweih. Hat ebend auch alles seine Schattenseiten. Meine Ollsche red't heit noch knapp mit mir.      
Oberchen bringen sie mir erstmal  'nen Grochchen.---
Macht se mir doch neilich nachem Ässen Jebrissel, ich sollt doch nich hucken und ihr de Hyazinthen väreichern, ich sollt doch aufe Luft jehn, dänn kennt se plätten.
Jch sag: "Is gut, Olgachen, jibb mich Jäld, fahr ich nach Heibud !,,
    "I" saacht se, "noch scheener, das teire Fahrjäld ausjeben! Tut doch nich not. Jeh doch längs de Radaun'  nachen Heehnepark, is doch jätz wunderscheen!"
Wie ich los will, meint se:
    "Was wirst bei das scheene Wätter mit de Mitz jehn ? Was sollen de Leit dänken ? Siehst aus wie son Abselwat!"
Langt se mich mein steiwen Sonntachsbibi raus, dem Bonbongkocher. Mein Hund macht en ganz traurijes Jesicht, wie ich ihm aufsätzt. Er dacht neemlich, ich' jing nache Kirch. Da dirf er doch  nich mit.   --prost!
Na, ich nu los nach Ohra. Wem träff ich grad aufem Kohlenmarcht ?  Mein Freind Adolf Schaweiter. Hätt sich grad en neien Friehjahrshut jekauft und wird mitkommen. Wä jehn Karrenwall, Wiebenwall, bekicken uns im Sonnenschein de neie Heiser und äzeehlen uns, wie wä da noch vor jene Jahre als Jungens aufen Wall hahm bei son Friehlingswätter Veilchen jesucht und vore Schleich sind ausjepeilt.
Wä kommen durchem Petershagener Tor und wandern längs dem Radaunedamm. Wundervoll! Diräktemang wie im April. Auf einmal schreit Adolf:
    "Kick mal da drieben in das Gartchen auf  jen krummen Baum een Star!"
    "Quatsch" sag ich, "sind doch noch keine Stare nich da!"
Aber ich seh, wie da tatsächlich so'n schwarzer Vogel rumkraufen tut.
    „Ich wätt mit dich aufen neies Fimfguldenstick, daß das en Star is!“ saacht Adolf, „siehst doch  er is eben doch in jen Starkasten reinjehopst!
    „Das will ich nuscht nich sagen,“ sag ich „dänn kann es auch een Spatz sein. Wänn einer im Volkstachshaus jeht, is er däshalb auch noch nich jleich  en Politiker...“
   „Wä werdn ihm rausschichern,“ meint Adolf, „seh mal, daß wo ein Stein findst, dänn werd’ wä ja sehen!
Scheen, ich Dussel bick mir, such, grabbel nachen Stein, komm dabei mit mein dammlijen steiwen Hut jejen jen Jeländer, schon ab jeht er, de Beschung runter, inne Radaun rein, da schwimmt er!
    „Da hast du schuld dran mit deinem Vogel!“ belk ich Adolf an, „ Jätz hol ihm jefällichst raus,das is mein Sonntachnachmittachsausjehhut!“
    „Hab dir man nich so,“ saacht der aufpustrije Leidack so dreibastich,“ das werd wä jleich hahm!“

Von wejen „ jleich ham“, västehn se!
Also ich steh da nu eierbooßich mit meine nackte Schusterkugel in de Friehlingsluft und seh wie er da jen Hut nachscheddert, mit’n Wuppdich ieberm Jeländer, de Beschung runter, und wird sich da nu an son Brickchen fästhalten und mit’n andern Arm und en Spazierstock wird er ja mein Bibi angeln, was da so stolz anjesejelt kemmt.
Also jen Hut kemmt, Adolf ziehlt mit sein Affenarm, steeßt zu - schon is jen Bibi nich mehr zu sehn. „Nu is er väblubbert!“ schrei ich.
    „Holle Freet“, schreit er,“ich hab ihm all“,
peekert und steekert und ajiert da mit’n Stock ins Wasser, hebt dem Stock dänn ganz stolz raus und -- hat en ollen Marmeladen- eimer rausjefischt.
    „ Den kannst dich sälbst aufsätzen!“ sag ich.
Na nu wird er booßich und schreit:
    „Laß deine Witzchens unterwejens und komm mich hälfen, mich bestirbt de Hand, ich kann mir hier nich mehr halten!“
Ich nu, västehn Se, auf jene kreetsche Brick, ieberm Jeländer jeturnt,mir mit de eine Hand festjehalten und werd ihm de andre Hand ja nu zu packen kriejen und  rauferziehen. Ich kam mich vor wie mit ihm im Hochjebirje mang de Alpen. Nu weiß der Deibel, ob da auf jen Brickenjeländer en Vogel hätt was fallen lassen oder was, is doch so glibbrich, und statt daß ich ihm raufer zieh, zieht mir jen Leidackreet infamjes warraftig runter, ich jlibber ab und koppheister reinjeplatscht! Wir beid drin inne Radaun!
Wie ich mir aus dem Modder notdirftich aufjerappelt hab, kennt ich nuscht nich sagen. Aber jeen Kreet hätt natierlich gleich wieder de große Fräß:
    “Bittscheen“, saacht Adolf und zeicht untre Brick durch „da schwimmt mein Hut neben deinen, jätz kannst mä nuscht nich mehr vorwärfen!“
    „Links und rächts vore Fräß mecht ich dir ballern!“ jappst ich.
    „ Ei und ich vleicht dir!“ meint er.
Aber nu mißd wä uns de Hand jeben und nu raus. Und oben aufen Damm vleicht en Auflauf in den Friehlingssonnenschein! Und wir ja vleicht jefroren!
Na nu erst mal unsere Bibis nachjescheddert. Die schwammen da hinten fidel wie Max und Moritz nach Danzich runter. Wie wä nu so scheddern, rännen drieben auch paar Jungs und Adolf schreit:
    „Wänn ihr die Hiet’ rausjeangelt kricht, kricht ihr fimf Dittchen!“
Das lassen die sich nich zweimal sagen, hahm sich da irjendwie  wo en Stick Stang besorcht und fischen drieben richtich die Bibis raus. Ich in meine Wut schrei nu:
    „Dem schwarzen steiwen schmeiß mich jleich rieber!“
Schon schmeißt jen Dammelskopp wischijer und schmeißt ihn aber auch gleich so aasich, daß mein Bibi ieber mir rieber fliecht, ich kriej bloß son Wasserstrahl ieberm Kopp,und wie ich mir umkick nach mein Hut, da is er all längst unten aufe Straß und vonnen Margarineauto ieberfahren!  Wie ‘ne Kartoffelflins’ so platt.  Sone nätte Frau wischt ihm mich noch sauber anne Schirz. Wie ich ihm aufsätz --wie ein Eisbeitel war ei’m das aufen Kopp.-  meint Adolf:
    „Mänsch, jätz siehst aus wie Napoljong Bonaparte in Moskau!“
Inne Eläktrische macht son oller bebrillter Bochert Krach: De Straßenbahn weer doch kein Kinderwagen nich, daß wä da alles naß machen kennten!  Ställt wä uns vorne beim Wagenfiehrer. Der Staunt ja vleicht und meint:
    „Is man gut, daß wä jätz hier auch de zune Wagen haben, sonst kennten se sich dem Dot holen."
Aufe Reitbahn meint Adolf,wie die Leit alle kicken, so kennt wä nich durche Stadt jehn. Wä mißden irgendwo Nothafen anlaufen, wartenbis es duster wird und uns erst mal betrocknen. Jing wä also nich durchem Langgasser Tor, sondernnache Feierwehr runter und fielen da ein bei paar Brieder vom „Klub ehemalijer Pappiermarkmilliadeere.“ Hätten grad Bockbierchen aufjestochen. Machten natierlich ihren Jokus mit mein Napoljonghut, dei Leidackkreeten. Aber wie’s nu garantiert duster war und so speet, daß wä aufe Straß nich mehr so auffallen kennten, und Adolf  mir noch nach Haus begleiten tut und wä ham uns all wieder vätragenund freien uns ieber dem Stärnenhimmel, und Adolf singt:
    „Ma kann so scheen im Hafen schlafen“,und en Schupo kemmt und bedeit ihm mit’n Punktroller, er sollt jefällichst aufheeren von wejen“ de Liebe der Matrosen“, und Adolf meint, er sollt doch froh sein, wänn de Freistaatuntertanen singen teeten, wo man singt,da laß dir ruhig nieder, beese Menschen haben keine Lieder, außerdem weer doch das Singen das einzichste kostenlose  Vägniejen.was man sich in diesen Karneval noch leisten kennt, da schreit ihn auf einmal meine   Ollsche von oben aus’n Fänster:
    „Bist ändlich zurick von dein Nachmittachsspaziergang, du unnoslijer Lorbas?“ 
Will se da gleich mit uns China und Japan spielen! Adolf meint nu:
   „Älauben se mal jefällichst, Frau Poguttke, ribbeln se sich bloß nich auf, se ham allen Grund,sich zu freien. Ihr Mann weer ummen Haar ätrunken, wie er mir als Freind jerättet hätt, tjawoll. Ich weer neemlich auch ummen Haar ätrunken.“
     „Soso,“ meint meine Ollsche gnietsch, „dänn werd ich mir also noch freien missen, daß se beid’ auf ihre Frielings-Nachmittachs-Tuhr nachn Heenepark nich errtrunken sind, sondern bloß...“
    „Bitte keine Anziechlichkeiten nich.“ Unterbrach ihr Adolf, „ wä hahm keine Frielingstuhr nich jemacht nachen Heenepark, die is zu Wasser jeworden, tjawoll, im wahrsten Sinne des Wortes zu Wasser....“
    „Zu Wasser?“ meint da meine Ollsche und macht so ihre Hyeenenaugen, „zu Wasser? Sollten se sich da nich irren? Sollt das nich Bockbier und Machandel jewesen sein?“---

Lohnt ja nich viel weiter was zu sagen, meine Härren. Wie ma’s macht is es väkehrt. Ich stand da mit mein Napoljonghut und ließ ihr reden von wejen „Länz und Liebe“.

Oberchen noch'n Grochchen bitte!    Äbarmung!!